Norseman der Bericht des Athleten

Es ist bereits fast ein Jahr her, in diesem Jahr ist sehr viel geschehen:)
Norse1jpg

Als ich im 2019 eine E-Mail von Swissman erhielt, sass ich gerade auf unserer Terrasse am Abendessen. Als ich gelesen habe, dass ich einen Startplatz an dem berühmt berüchtigten Norseman 2020 gewonnen habe, dachte ich zuerst «Sch….». Ich fragte ungläubig meine Frau: «Söll ig mi jetz fröiä oder wiä?» Sie erwiederte: «Sicher, das isch doch cool!». Und so begann das Abenteuer «Norseman 2020».

Kurze Zeit später fragte ich meinen unglaublich treuen und langjährigen Supporter Mars (jetzt auch Schwiegervater), ob er mich bei diesem Abenteuer begleiten würde. Seine Antwort war natürlich ja. Was auch klar war, dass Susanne und meine geliebte Frau Rhea mitkommen werden. Auch Stefan, welcher mich bereits am Swissman 2018 auf der Laufstrecke unterstützte war mit an Bord. Nun hiess es Abklärungen treffen, Startgeld bezahlen, organisieren usw. Die Resonanz in meinem familiären Umfeld war enorm.

Auch habe ich mich für das Research Project von der Norwegian school of sport sciences angemeldet. Ich lud fleissig meine Trainings- und Gesundheitsdaten hoch. Geplant wäre auch noch eine Blutentnahme am Wettkampftag gewesen.

Alles war organisiert, bezahlt und das Training lief wie geschmiert. Dann kam die weltweite Pandemie und Anlass um Anlass wurden abgesagt. So auch der Norseman 2020. Etwas enttäuscht mussten wir die Entscheide hinnehmen. Im Verlaufe des Jahres 2020 erhielt ich eine Mail von Norseman. Da musste ich mich entscheiden, ob ich den Startplatz im 2021 belegen möchte, mit dem Risiko, dass bei einer erneuten Absage des Events, dieser komplett erlischt, oder ich diesen ins 2022 überschreiben möchte. Für mich war klar, jetzt oder nie und entschied mich für die risikoreiche Variante:) Viele internationale Athleten entschieden sich für die Variante 2022.

 Und so kam es, dass wir unsere Reise Richtung Norwegen am 30.07.2021 starteten. Über die Reise und die ersten Tage hat ja Mars schon ausführlich berichtet. Ich kann mich Mars nur anschliessen, dass es entspannend war. Als meine Frau Rhea, meine Schwiegermutter Susanne und meine Mutter Margret am 05.08.2021 zu uns stiessen, war die Freude natürlich riesig. Doch war die Anspannung auch gewachsen, denn der Start des Norseman 2021 war zum Greifen nah.

 Am Vorabend wurde ich noch mit meiner Startnummer bestickert. Endlich, ich nehme an einem Event teil, bei welchem ich meine Startnummer aufgestickert bekomme.

 Am 07.08.2021 war es dann soweit. In aller herrgotts Früh klingelte mein Wecker. Frühstück (Haferflocken, Banane, Shake und etwas Milch). Dies hat sich in den letzten Jahren bei mir bewährt, da ich beim Schwimmen sonst immer Magenbrennen bekomme. Einen guten Start-Kuss bei meiner Frau abholen und schon fahren Mars und ich zum Startgelände. Wir deponieren das Fahrrad und die Kleidung in der Wechselzone und warten auf den Einstieg ins Schiff. Dieses Warten, die Anspannung, man schaut in die vielen Gesichter, alle haben ein Ziel «Ich will am Ende des Tages auf dem Gaustatoppen ins Ziel einlaufen» einfach unglaublich. Früher war ich immer extrem nervös bei solchen Wartezeiten. Dank meinem aufgebauten Mentaltraining (innerer Anker) konnte ich die Nervosität massiv verringern.

 Dann konnte ich endlich aufs Schiff. Es war ein Elektroschiff und etwas kleiner als die vorherigen Jahre. Das obligate Gruppenfoto und Leinen los. Auf dem Schiff wieder die gleiche Stimmung und warten. Ich lauschte den Gesprächen der anderen Personen und bemerkte, dass kaum ausländische Athleten an Bord waren. Das hatte einen Grund; Die nicht besetzten Startplätze wurden durch nationale Athleten besetzt. Somit war es fast ein «local race». Dann der Sprung ins kalte Nass und an die Startlinie schwimmen. Das Wasser war nicht so kalt, jedoch hatten wir Gegenwind und Wellen. Ja diese Wellen… Der Startschuss ertönte und schon ging es los. Die Orientierung bei dieser Schwimmstrecke war recht einfach, da wir immer der Küste nachschwimmen konnten.

Plötzlich, ich denke es war so auf halber Strecke, bemerkte ich, dass wir durch Quallen schwammen. «Jetzt nur nicht nervös werden, sonst kommt es nicht gut» dachte ich. Auch das konnte überwunden werden. Manchmal fühlte ich mich alleine, ab und zu sah ich andere Athleten. Als ich aus dem Wasser kam schaute ich auf meine Schwimmzeit. Ich erschrak, 1h50min für das Schwimmen. Die Wellen und der Gegenwind haben mich massiv gebremst. (normalerweise habe ich 1h15min). Die Wechselzone war auch schon ziemlich leer.

Unter Anfeuern meiner Liebsten stieg ich aufs Rad und fuhr in Richtung Dyranut davon. Der treue Begleiter, der Gegenwind, war auch hier voll dabei. Fast auf dem Dyranut angekommen dachte ich mir, irgendeinmal wird dieser Wind doch sicher schwächer, denkste, auf dem Platto wurde dieser noch stärker…:( NOrse10jpg

Meine drei Supporter:) machten einen super Job. Ich erhielt immer alles was besprochen wurde. In Geilo erhielt ich noch ein Stück kalte Pizza vom Vorabend. Das war der Hammer:) Einmal fanden sie keine Anhaltemöglichkeit und mussten weiter oben warten, für mich ein kleiner Weltuntergang, aber he, es ging ja trotzdem:)

Das letzte Stück auf dem Fahrrad ging von einem Stausee über einen «Pass». Die rasante Abfahrt war in Sichtweite, doch der Gegenwind, die müden Beine und die doch noch recht hügelige Strecke hatte es in sich. Als ich dann beim letzten Supportpunkt vor der Laufstrecke ankam, war ich total ausgelaugt und sagte nur: Dä sch… Gägäwind chönnt o eis ufhörä!» Dann die Abfahrt in die Wechselzone.

  In der Wechselzone angekommen wurde ich von allen freundlich in Empfang genommen. Ich ging auf die Toilette, Laufschuhe an und schon lief ich los. Die ersten Kilometer waren brutal heiss. Alle 2km wartete Mars mit Getränken auf mich. Dann kamen die Wolken und es fing an zu regnen (siehe Teaser Norseman 2021 auf youtube). Ich fühlte mich wieder gut und das Laufen lag mir. Ich konnte div. Athleten überholen. Eine freundliche Begegnung bleibt mir in Erinnerung. Einmal überholte mich ein Fahrzeug. Daraus ertönte es in französischer Sprache «Allez Suisse». Weiter vorne sah ich, dass es die Supporter eines Athleten aus Frankreich war. Ein kurzer Schwatz, er konnte aber nicht meine Laufgeschwindigkeit übernehmen und so zog ich davon. Mars wartet immer und immer wieder, das Gefühl war gut, trotz Asphalt schmerzten meine Füsse kaum. Kurz vor dem Zombie-Hill musste ich einige Schritte gehen. Unten angekommen sagte mir der Streckenposten, dass ich 1h Zeit habe bis zum nächsten Streckenposten… mehr musste er nicht sagen, da ich wusste, dass dort die Cut-Off Zone war, um auf den Gaustatoppen zu gehen. In meinem Kopf liefen die Zahlen, 7km, ca. 700hm, Pace usw. Eigentlich wusste ich, dass es mir nicht reichen würde, doch so leicht gebe ich nicht auf. Ein Schritt vor den anderen. Meter um Meter, mentaler Kampf, der Körper kann nicht mehr, wieder etwas trinken, nimm 2 Lachgummis usw. Die Leute feuerten mich an, extrem extrinsisch motivierend. Ich konnte auch hier wieder einige Athleten überholen. Die Musik bei der Cut-Off Zone ist hörbar, nur noch eine Kurve und schon sehe ich das Kontrollzelt. Ich schleppe mich zum Kontrollposten und da wird mir gesagt: «Sorry, you’re 10 minutes too late». Als ich das hörte war ich enttäuscht, aber auch froh. Das Wetter wurde immer garstiger und meine Beine nicht fitter. Somit durfte ich die Marathonstrecke in etwas flacherem Gelände beenden. norse9jpg

 Die letzten 10km begleiteten mich Mars und Rhea zu Fuss. Es war ein kalter und nasser Fussmarsch. Auch hier hatte ich noch einige kleine Krafteinbrüche. Doch die beiden haben mich immer und immer wieder gepusht.

Nach etwa 16h erreichte ich das Ziel für die «white Finisher». Beim Einlaufen ertönte das Lied «we are the champions». Mit tosendem Applaus der wenigen Helfer und meinen treuen Begleiter lief ich total erschöpft und klitsch nass ein. Ein Bouillon und Cola im Ziel und schon gingen wir in unsere Unterkunft, welche 5 Autominuten entfernt war.
norse4jpg

Norse8jpg


Am nächsten Tag kam die Finisher Zeremonie wo ich auch mein T-Shirt erhielt. Danach war erholen und noch einige Tage Norwegen angesagt. Ich kann mit voller Freude auf diesen absolut extremen Wettkampf zurückblicken. Ohne meine unglaublichen Supporter, Mars, Rhea. Susanne und Margret, hätte ich das niemals geschafft. Danke viel Mal, dir sit super!.


 Ps: Die 10 Minuten nerven mich an manchen Tagen. Aber wer weiss, vielleicht habe ich einmal wieder das Glück, am Norseman zu starten und mir das schwarze T-Shirt zu holen:)

Norse11jpg